Wer sich über Italiens WM-Aus freut, hat nichts verstanden

Zum ersten Mal seit 1958 findet eine Fußball-WM ohne die Squarda Azzurra statt. Eine ganze Nation trauert und wird auch noch mit Spott überzogen. Dabei ist Häme völlig fehl am Platz.

Gianluigi Buffon beendet nach 175 Länderspielen seine Nationalmannschaftskarriere
Gianluigi Buffon beendet nach 175 Länderspielen seine Nationalmannschaftskarriere

Italien hat es nicht verdient. Wer in 180 Minuten gegen in ihren fußballerischen Mitteln arg limitierte Schweden kein Tor schießt, hat keine Berechtigung, an einer WM teilzunehmen. Das Scheitern der Squadra Azzurra in der Quali hat ein ganzes Land traumatisiert. “Untergang”, “Apokalpyse”, “Stunde Null” – italienische Zeitungen geizen am Tag danach nicht mit Begriffen aus der Endzeitstimmung.

Internationale Pressestimmen zu Italiens WM-Aus

Was man in den Kommentaren zum WM-Aus der Italiener in den Timelines auf Twitter oder Facebook lesen muss, ist aber mindestens genauso arm wie die Leistung der Spieler in den beiden Playoff-Spielen. Häme ist der völlig falsche Ansatz und Pizza-Jokes ohnehin kleingeistig.

Eine Fußball-WM ohne Italien ist ein absolutes No-Go. Viermal holte die Squadra bislang den Titel, da können nur Deutschland (4) und Brasilien (5) mithalten. Italien ist eine Weltmacht im Fußball, auch wenn seit dem WM-Titel 2006 nicht mehr viel kam. 2010 und 2014 schied Italien bereits in der Vorrunde aus.

Mannschaft und Fans stehen für pure Emotion. Kein Spieler singt die Nationalhymne so inbrünstig wie Torwart-Legende Gianluigi Buffon. Kaum eine Nation kann so herzzerreißend leiden wie Italien, wenn es um Fußball geht. Dass Italien keinen besonders schönen Ball spielt – geschenkt. Das haben sie noch nie getan. Außer Buffon, Chiellini oder De Rossi fehlen der Mannschaft auch die ganz großen Persönlichkeiten. Cannavaro, Pirlo, Totti, Inzaghi – die Legenden sterben aus. Doch allein die Tatsache, dass Buffon seine sechste WM-Teilnahme verwehrt bleibt und er stattdessen so abtreten muss, ist ein Jammer.

Zudem steht Italien für unzählige Klassiker bei großen Turnieren. Das WM-Halbfinale 1970 in Mexiko gegen Deutschland ging als “Jahrhundertspiel” in die Geschichte ein. 1982 holte Torhüter Dino Zoff mit 41 Jahren den WM-Titel nach einem 3:1-Finalsieg gegen Deutschland. 1994 drosch Roberto Baggio den letzten Elfmeter in den amerikanischen Himmel – Brasilien war Weltmeister. Und 2006 sorgten Italien und Deutschland im Halbfinale von Dortmund für das mit Abstand beste Spiel des Turniers.

Mit Chile, den Niederlanden und den USA gehen der WM in Russland ohnehin schon namhafte Teams ab. Mit dem Aus von Italien ist der Super-GAU eingetreten. “Ein enormer Schaden für ein Land, das vom Fußball lebt und damit atmet”, schrieb die Gazzetta dello Sport. Niemand, der den Fußball liebt, kann sich darüber freuen. Und wer es doch tut, hat nichts verstanden.